Green Washing: Blatt Papier mit dem Umriss einer Fabrik
© Franco Tognarini, stock.adobe.com
5.4.2022

Nachhaltig investieren

Nachhaltig ist das Schlagwort der Stunde – egal ob bei Nahrungsmitteln, Kleidung, der Firmenstrategie oder eben auch beim Investieren. Doch wie können sich Konsument:innen sicher sein, dass das „grüne“ Finanzprodukt auch wirklich grün ist? Denn wo nachhaltig draufsteht, muss nicht automatisch auch nachhaltig drinnen sein – Stichwort „Greenwashing“. 

Zur besseren Orientierung hat die AK Wien in einer groß angelegten Studie nachhaltige Finanzprodukte – mit Schwerpunkt auf nachhaltige Investmentfonds - untersucht sowie im Zuge eines Mystery-Shoppings bei 16 Finanzinstituten die Qualität der Beratung hinsichtlich nachhaltiger Geldveranlagung überprüft. 

Hintergrund 

Die EU-Kommission veröffentlichte 2018 einen Aktionsplan „Nachhaltige Finanzierung“. Wichtige EU-Gesetze sind die sogenannte Taxonomie-Verordnung und die Offenlegungs-Verordnung. Erstere legt fest, wann eine Wirtschaftstätigkeit ökologisch nachhaltig ist. Eine Investition ist dann nachhaltig, wenn sie wesentlich zur Verwirklichung von Umweltzielen (etwa Klimaschutz) beiträgt.

Zudem müssen internationale soziale und arbeitsrechtliche Mindeststandards eingehalten werden. Zweitere verlangt von den Finanzdienstleistern die Offenlegung, wie Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren bei der Anlageentscheidung berücksichtigt werden. Wichtig ist dabei die Produktklassifizierung nach Artikel 8 (Produkt bewirbt soziale und/oder ökologische Ziele) und Artikel 9 (Produkt verfolgt ein klares Nachhaltigkeitsziel) in der Offenlegungsverordnung. 

Ergebnisse 

  • Zu sanfte Regulierung – Nachdem klare Definitionen bzw. Mindestgrenzen fehlen, was im Sinne von Artikel 8 oder 9 der Offenlegungsverordnung als nachhaltig gilt, definieren Finanzinstitute selbst, welcher Fonds nachhaltig ist. So können Finanzprodukte als nachhaltig eingestuft werden, selbst wenn nur 1% des Fondsvolumens tatsächlich nachhaltig ist. 

  • Mangelnde Transparenz – Derzeit legen die Finanzinstitute keinen Wert darauf, auf ihren Websites mehr über die beiden Verordnungen zu informieren als gesetzlich vorgeschrieben. Den besten Informationsstandard weisen die 17 untersuchten Kapitalanlagegesellschaften auf. Die Hälfte informiert gut z.B. über den Nachhaltigkeit-Investmentprozess, Ausschlusskriterien und Engagement-Policy. Hingegen präsentieren nur einige wenige Banken ihre Nachhaltigkeit gut und verständlich auf ihren Webseiten. 

  • Fehlende Bereitschaft – Bei den meisten Finanzinstituten wird nach wie vor in Quartalen gedacht, Rendite geht vor Nachhaltigkeit. Gibt es von der Unternehmensspitze ein Commitment zur Nachhaltigkeit, strahlt dieses auf das ganze Unternehmen aus. Dieses Commitment war nicht bei allen untersuchten Finanzinstituten festzustellen.
     
    Das zeigt sich auch am Engagement, also dem aktiven Einwirken auf Wirtschaftsunternehmen, ihr Geschäftsmodell nachhaltiger zu gestalten: Nur sieben von 28 befragten Banken betreiben Engagement (z.B. durch Dialog etc.) – vier nannten konkrete Beispiele dafür. Bei den Kapitalanlagegesellschaften ist der Anteil höher: 13 von 17 befragte Fondsgesellschaften gaben Engagement-Aktivitäten (z.B. durch Stimmrechtsausübung in Hauptversammlungen) an. Positiv: Zehn untermauerten dies zudem mit konkreten Beispielen. 

  • Fifty-fifty bei der Authentizität – Von den untersuchten 17 Kapitalanlagegesellschaften weist die Hälfte hohe bis gute Standards in der Authentizität auf – also in der Glaubwürdigkeit, die anhand von sechs Kriterien (Handhabung von Ausschlusskriterien, Engagement, ESG-Gremien, Art des internen Rating-Prozesses, Ausbildung der Mitarbeiter:innen, Selbstverpflichtungen/Labels) beurteilt wurde. Allerdings gibt es derzeit keine Behörde oder sonstige zertifizierte Stelle, die insbesondere die Angaben auf den Webseiten von Banken und Kapitalanlagegesellschaften überprüft. 

  • Dünne Produktpalette – Die 17 befragten Kapitalanlagegesellschaften nannten die beeindruckende Anzahl von 400 nachhaltigen Investmentfonds (nach Artikel 8 der Offenlegungsverordnung) und 92 Fonds, die nach dem österreichischen Umweltzeichen zertifiziert sind. Aber es zeigt sich, dass sich nachhaltige Investmentfonds in der Zusammensetzung kaum unterscheiden. Das liegt auch daran, dass die meisten Kapitalanlagegesellschaften sich auf die Analyse von lediglich zwei Nachhaltigkeitsrating-Agenturen (MSCI ESG und ISS ESG) stützen.
     
    Zudem unterscheiden sich nachhaltige nicht signifikant von herkömmlichen Fonds, da große Unternehmen auch als nachhaltig eingestuft werden. Neben nachhaltigen Fonds gibt es nachhaltige Giro- und Spareinlagen, green bonds und green loans. Erste werden nur von fünf von 24 befragten Banken angeboten, green bonds und green loans (nur vier von 24 Banken) gewinnen erst langsam an Bedeutung. 

  • Beratungsqualität ausbaufähig – Das Mystery Shopping fand bei 16 Banken statt. Obwohl im Vorfeld ausdrücklich ein nachhaltiges Produkt gewünscht wurde, wurden der Testkäuferin wiederholt ausschließlich herkömmliche Fonds angeboten. Die Testkäufer:innen gaben „mittlere Risikobereitschaft“ an. Aber jeder zweite angebotene Fonds war ein Aktienfonds mit hohem Risiko (Stufe 6 von 7), diese Vorgabe wurde also häufig ignoriert.

    Auch wiesen die angebotenen nachhaltigen Fonds keine Spesenvorteile auf. Die Ausgabe- bzw. Kaufspesen bei den Aktienfonds betrugen zumeist 5%, die jährlich verrechneten Verwaltungsspesen im Schnitt 1,7%. Erstaunlich war zudem, dass bereits existierende Gütezeichen wie etwa das österreichische Umweltzeichen für Investmentfonds in den Beratungsgesprächen überhaupt keine Rolle spielten – weder als Qualitätsmerkmal noch als Auswahlhilfe.  

  • Greenwashing – Wird die Wirksamkeit eines Fonds umfänglich beworben, fehlen aber auf der Website Berichte, die diese Wirksamkeit nachweisen, ist Greenwashing anzunehmen. Auch, wenn ein Institut Green Finance anbietet, auf der Homepage aber nicht erklärt, welche Projekte sie finanzieren bzw. ausschließen. In der Praxis ist Greenwashing nicht einfach nachzuweisen.  

Beispiel

Hier ein Beispiel für den umfassenden Anspruch einer Bank, „grün“ zu sein. Die Bank präsentiert sich als insgesamt nachhaltig („…da alle Handlungen dazu beitragen…“), was den Schluss zulässt, dass deren Produkte auch nachhaltig sind. Ob jedoch die Fonds tatsächlich nach Nachhaltigkeitskriterien konstruiert werden, kann daraus überhaupt nicht abgeleitet werden.

Die Produktpalette der Bank unterstreicht jedenfalls nicht die Werbebotschaft: Sie bietet jeweils ein einziges nachhaltiges Spar- und Giroprodukt und kein nachhaltiges Kreditprodukt an; und die Kapitalanlagegesellschaft, zu der diese Bank gehört, bietet kein einziges Artikel 9-Fondsprodukt („dunkelgrüne Fonds“) an (ebenso fehlen Zertifizierungen für das FNG-Gütesiegel). 

Forderungen

  • Mehr nachhaltige Finanzprodukte im Giro-, Spar- und Kreditbereich 

  • Mindeststandards – Es braucht nachhaltigkeitsbezogene Mindestkriterien für alle Finanzprodukte, die als Untergrenze herangezogen werden können. Dazu gehört auch eine „Blacklist“, die bestimmte Unternehmen ausschließt. Hier ein positives Beispiel, wie derartige Mindeststandards formuliert werden könnten.

  • Aktivere Rolle der Finanzmarktaufsicht 

  • Mehr Transparenz in der Nachhaltigkeitsberichterstattung: Publizitätsvorschriften durch Vorgaben präzisieren 

  • Genauere Kriterien für Nachhaltigkeit festlegen, insbesondere in der Taxonomie- und Offenlegungsverordnung. Bei der Verwendung von Ausschlusskriterien (z.B. für Rüstungsindustrie, Glücksspiel) sollte es keine allzu großzügigen Toleranzgrenzen geben. 

  • Kriterienkatalog für Greenwashing – Da Greenwashing in der Praxis schwer nachzuweisen ist, sollte es einen definierten Kriterienkatalog geben, anhand dessen Greenwashing (z.B. in Werbebotschaften, Kundeninformationsdokumenten etc.) beurteilt werden kann. 

  • Beratung in Banken verbessern – Gütesiegel sollten in der Beratung als Bestandteil des Gesprächs integriert werden. Zudem soll Nachhaltigkeit auch Privatkund:innen zugänglich gemacht werden und nicht nur gehobenen Anleger:innen oder institutionellen Kund:innen vorbehalten sein, die erfahrungsgemäß z.B. Rabatte auf Kaufspesen (Ausgabezuschläge) erhalten. 

  • Verbesserte Informationsqualität im Kundeninformationsdokument (KID) von Investmentfonds: Die gesetzlich vorgesehenen „Wesentliche Anlegerinformationen“ sind zu wenig kundenfreundlich gestaltet (zu viel Jargon, zu viele Kürzel, zu vage Beschreibung der Risiken, zu ungenaue Hinweise auf Nachhaltigkeit). 
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