Vorsicht mit Web 2.0 in der Arbeitswelt
Facebook am Arbeitsplatz? Achtung, denn Privat-Sufen in der Arbeitszeit oder gar böse Postings über den Chef können den Job kosten!
Darf ein Unternehmen seine Arbeitnehmer:innen überwachen? Dazu gibt es verschiedene Regelungen. Grundsätzlich gilt allerdings: Die Arbeitnehmer:innen und der Betriebsrat müssen darüber informiert werden und es ist nicht alles erlaubt, was technisch möglich ist.
Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde berühren, d.h. die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer:innen entsprechend tangieren (z.B. Videoüberwachung am Arbeitsplatz, GPS-Ortung von Außendienstmitarbeiter:innen oder die Aufzeichnung der Arbeitsleistung durch Maschinen bzw. verwendete Arbeitsmittel), dürfen nur eingesetzt werden, wenn der Betriebsrat mit dem Betriebsinhaber darüber eine Betriebsvereinbarung getroffen hat.
Ohne Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung ist der Einsatz derartiger Systeme rechtswidrig und die Kontrolleinrichtungen müssen vom Arbeitgeber entfernt werden.
In betriebsratslosen Betrieben dürfen solche Kontrollmaßnahmen nur mit Zustimmung der einzelnen Arbeitnehmer:innen durchgeführt werden. Die Zustimmung sollte jedenfalls schriftlich erfolgen und kann jederzeit schriftlich widerrufen werden; die Vereinbarung einer Befristung ist möglich.
Entscheidend ist die Intensität der Kontrolle. Die Art der Kontrolle (durch Vorgesetzte oder technische Systeme) spielt ebenso eine Rolle wie die zeitliche Dauer (Stichproben oder permanente Kontrolle), der Umfang der Kontrolle (Verknüpfung mit anderen Daten) und die dabei erfassten Datenarten. Zu prüfen ist, welches legitime Kontrollziel des Arbeitgebers erreicht werden soll, und ob das eingesetzte Kontrollmittel zum angestrebten Zweck in Relation steht oder ob es eine die Persönlichkeitsrechte weniger beeinträchtigende Alternative – sogenannte „gelindere Mittel“ gibt.
Kontrollen, wie etwa eine Zutrittskontrolle bei Betreten des Arbeitsorts (mit einer Stechuhr) oder die Pflicht zum Tragen eines Firmenausweises auf dem Firmengelände werden im Allgemeinen die Menschenwürde nicht berühren. Sie bedürfen daher nicht unbedingt der Regelung durch Betriebsvereinbarung (bzw. der Zustimmung der Arbeitnehmer:innen).
Berührt wird die Menschenwürde bei Kontrollmaßnahmen wie etwa in Arbeitsbereichen eingesetzten Videoüberwachungskameras oder der Aufzeichnung der Leistung durch Maschinen, die einen Rückschluss auf die Arbeitsleistung der an der Maschine tätigen Arbeitnehmer:in zulassen.
Solche Maßnahmen können zulässig sein, aber nur bei Vorliegen einer entsprechenden Betriebsvereinbarung (bzw. Zustimmung der einzelnen Arbeitnehmer:innen in betriebsratslosen Betrieben)!
In einer solchen Betriebsvereinbarung sind geeignete Rahmenbedingungen zu verankern, die den Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer:innen sicherstellen, selbst wenn der Einsatz der Maßnahme aus wichtigen Gründen seitens des Arbeitgebers (Schutz der Sicherheit der Arbeitnehmer:innen und Kund:innen, Schutz des Eigentums usw.) gerechtfertigt erscheint.
Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde verletzen, sind absolut unzulässig. Zu derartigen Maßnahmen gehören etwa das heimliche Abhören von Telefongesprächen, Überwachungskameras in Waschräumen oder Toilettenanlagen, in der Regel Leibesvisitationen, die Überprüfung des Privatlebens u.a.
Durch die technischen Gegebenheiten ermöglicht die Kontrolle der E-Mail- und Internetnutzung nicht nur einen Zugriff auf die Verbindungsdaten, sondern in der Regel auch eine inhaltliche Kontrolle (Inhalte der E-Mails und der angewählten www-Seiten). Dadurch wird typischerweise die Menschenwürde berührt und die Zustimmungspflicht des Betriebsrats bzw. der Arbeitnehmer:in ausgelöst. Für die Mitbestimmungspflicht kommt es nicht darauf an, ob die private Nutzung von Internet und E-Mail erlaubt ist oder nicht, sie gilt in jedem Fall.
Wichtig ist daher eine Betriebsvereinbarung, die regelt, wer in diese Daten Einsicht nehmen darf (also etwa die Mitarbeiter der EDV-Abteilung, die für das reibungslose Funktionieren der Internetverbindung sorgen sollen, nicht aber Vorgesetzte), ob und gegebenenfalls an wen die Daten weitergegeben werden dürfen, wie lange sie gespeichert werden dürfen usw.
Private E-Mails dürfen nicht gelesen werden
Bei der Kontrolle privater E-Mails wird davon auszugehen sein, dass dies die Menschenwürde sogar verletzt und daher verboten ist. Private E-Mails dürfen daher weder von den Mitarbeiter:innen der EDV-Abteilung gelesen, noch an den Arbeitgeber weitergegeben und von diesem gelesen werden.
Zu beachten ist, dass auch ein Zugriff auf dienstliche Mails in der Regel ohne vorherige Ankündigung unzulässig ist.
Das heimliche Abhören bzw. Aufzeichnen von Telefongesprächen der Arbeitnehmer:innen – nicht nur von Privatgesprächen, sondern auch von dienstlichen Gesprächen – ist jedenfalls unzulässig. Denn auch beim dienstlichen Telefonat werden nicht nur sachliche Informationen ausgetauscht, sondern es schwingt immer auch eine persönliche Ebene mit.
Unzulässig wäre ein Mithören selbst bei Zustimmung der Arbeitnehmer:in, nicht zuletzt in Hinblick auf die Gesprächspartner:innen, die natürlich davon ausgehen dürfen, dass das Gespräch zwischen den Teilnehmer:innen bleibt. Automationsunterstützte Telefonregistrieranlagen, die die Nummern der angerufenen Teilnehmer:innen systematisch und vollständig den jeweiligen Nebenstellen (d.h. die Arbeitnehmer:in) zugeordnet erfassen, berühren aufgrund der hohen Kontrollintensität die Menschenwürde und sind daher zustimmungspflichtig.
Die ständige Lokalisierung des Aufenthaltsortes eines Dienstwagens und die damit erfolgende Überwachung des Aufenthaltsortes der Arbeitnehmer:innen stellen eine beträchtliche Kontrolldichte und Eingriffsintensität in die Persönlichkeitssphäre der Arbeitnehmer:in dar, die durch ein entsprechend gewichtiges Interesse des Arbeitgebers gerechtfertigt sein müssen.
Im Allgemeinen werden das Führen eines Fahrtenbuches und Aufzeichnungen der Arbeitnehmer:in über die Dauer der auswärtigen Termine und Fahrtstrecken sowie eine allfällige Erreichbarkeit über ein Mobiltelefon als gelinderes Mittel ausreichen, um die Interessen des Arbeitgebers zu wahren.
In der Regel ist der Einsatz solcher Systeme (GPS, Mobiltelefone mit Lokalisierungsfunktion) zustimmungspflichtig, weil sie nahezu lückenlose Bewegungsprofile der Arbeitnehmer:in ermöglichen, und daher jedenfalls die Menschenwürde berühren.
Das Datenschutzgesetz regelt eindeutig, dass Videoüberwachung zur Mitarbeiter:innenkontrolle verboten ist. Klar unzulässig ist es daher, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsleistung von im internen Bereich tätigen Arbeitnehmer:innen durch Kameras beobachten will!
Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers am Einsatz eines Videoüberwachungssystems kann aber beispielsweise im Schutz vor bzw. in der Hilfe zur Aufklärung von Diebstählen oder Überfällen liegen, etwa im Schalterraum einer Bank, wo ja primär nicht Arbeitnehmer:innen beobachtet werden sollen.
Es ist einerseits zu berücksichtigen das Interesse des Arbeitgebers am Einsatz von Videokameras, andererseits aber auch das Schutzinteresse der Arbeitnehmer:innen, die dabei ins Bild kommen.
Sofern der Arbeitsbereich der Arbeitnehmer:in im Blickfeld der Kameras liegt, wird die Menschenwürde berührt und die Zustimmungspflicht (des Betriebsrates in Form einer Betriebsvereinbarung oder in betriebsratslosen Betrieben durch die Arbeitnehmer:in) ist gegeben.
Kontrollmaßnahmen und technische Systeme zur Kontrolle der Arbeitnehmer:innen bedürfen, sofern diese Maßnahmen (Systeme) die Menschenwürde berühren (siehe oben), zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats. Es handelt sich um einen Fall der notwendigen Mitbestimmung, d.h. diese Zustimmung kann nur in Form einer Betriebsvereinbarung erfolgen und ist nicht durch die Schlichtungsstelle ersetzbar.
In Betrieben, in denen kein Betriebsrat errichtet ist, kann eine entsprechende Kontrollmaßnahme nur mit Zustimmung der davon betroffenen Arbeitnehmer:innen eingeführt bzw. verwendet werden. Die Zustimmung kann, sofern keine schriftliche Vereinbarung mit dem Arbeitgeber über deren Dauer vorliegt, jederzeit und ohne Einhaltung einer Frist schriftlich gekündigt werden.
Besteht ein Betriebsrat, ist überdies der Einsatz von automationsunterstützten Systemen zur Verarbeitung von personenbezogenen Arbeitnehmerdaten (Personaldatenverarbeitungssystemen) nur auf Grund einer Betriebsvereinbarung möglich, sofern Daten von ArbeitnehmerInnen verarbeitet werden, die über die Ermittlung von allgemeinen Angaben zur Person (Name, Wohnadresse usw.) und fachlichen Voraussetzungen (Schulbildung, Arbeitszeugnisse) hinausgehen; zustimmungsfrei ist auch die Verwendung von personenbezogenen Arbeitnehmer:innendaten in Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen (z.B. Arbeitszeitaufzeichnungen).
Parallel zu den Ansprüchen aus der Arbeitsverfassung hat jede:r einzelne Arbeitnehmer:in das persönliche Recht (dieses steht im Verfassungsrang) auf Geheimhaltung der ihn:sie betreffenden personenbezogenen Daten und damit verbunden ein Auskunftsrecht, welche – sie betreffende – Daten verarbeitet werden.
Die Datenschutz-Grundverordnung normiert ausdrücklich, dass Personen, deren personenbezogene Daten verarbeitet werden, darüber informiert werden müssen ("Transparenzgebot, Informationspflicht des Arbeitgebers").
Zudem hat jede:r Arbeitnehmer:in Recht auf Auskunft über die von ihm vorhandenen konkreten Daten, über deren Herkunft, deren Verknüpfungen mit anderen Daten und über allfällige Übermittlungen. Unrichtige oder rechtswidrig verarbeitete Arbeitnehmer:innendaten hat der Arbeitgeber richtig zu stellen bzw. zu löschen. (datenschutzrechtliche Grundsätze der Richtigkeit und der Speicherbegrenzung).
Auch der Betriebsrat ist auf Grund des Arbeitsverfassungsgesetzes vom Betriebsinhaber darüber zu informieren, welche Arten von personenbezogenen Arbeitnehmer:innendaten dieser automationsunterstützt aufzeichnet und welche Verarbeitungen und Übermittlungen er vorsieht. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat, wenn dieser es verlangt, die Überprüfung der Grundlagen für die Verarbeitung und Übermittlung ermöglichen.
Primärer Ansprechpartner im Betrieb ist der Betriebsrat, der durch sein Einsichts- und Kontrollrecht gegenüber dem Betriebsinhaber und durch die Möglichkeit zum Abschluss von Betriebsvereinbarungen (ohne die die Menschenwürde berührende Kontrollmaßnahmen ja unzulässig sind) eine in der Praxis wichtige regulierende und kontrollierende Funktion ausübt. Als Ansprechpartner:innen für Beratung und Hilfe zur Rechtsdurchsetzung stehen natürlich Arbeiterkammern und Gewerkschaften zur Verfügung.
Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde berühren und nicht etwa durch Betriebsvereinbarung geregelt sind, sind unzulässig und daher umgehend einzustellen. Die Arbeitnehmer:in muss sich solchen Kontrollmaßnahmen nicht unterwerfen und kann beim Arbeits- und Sozialgericht auf Unterlassung der rechtswidrigen Überwachung und gegebenenfalls auch auf Beseitigung der beispielsweise rechtswidrig angebrachten Überwachungskameras klagen.
Da einzelne Arbeitnehmer:innen allerdings im aufrechten Arbeitsverhältnis aus Angst vor Kündigung oftmals vor einem solchen Schritt zurückschrecken, wird hier die Wichtigkeit eines Betriebsrats deutlich: Dieser kann, wenn mindestens drei Arbeitnehmer:innen des Betriebes oder Unternehmens von der Maßnahme betroffen sind (was oftmals der Fall sein wird), selbst die Klage auf Feststellung der Unzulässigkeit der durchgeführten Überwachungsmaßnahmen beim Arbeits- und Sozialgericht einbringen bzw. auf Unterlassung oder Beseitigung klagen.
Liegt auch ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Regelungen vor, kann jede betroffene Person eine Beschwerde bei der Datenschutzbehörde einbringen.
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