1.6.2016

Absicherung des Lebensstandardprinzips in der österreichischen Alterssicherung

Resolution FSG

Aktuelle Themenstellung: Altersarmutsbekämpfung

Zurzeit gehen in Deutschland die Diskussionen zur Bekämpfung der rapid ansteigenden Altersarmut hoch. Die deutsche Regierung hat beschlossen, die gesetzlichen Renten ab Juli 2016 um 4,25 Prozent im Westen und 5,95 Prozent im Osten zu erhöhen. Weiters werden die als zweite Säule eingeführten kapitalgedeckten privaten Rentenvorsorgen (Riesterrente) zur Diskussion gestellt. Seit 2005 ist in Deutschland der Anteil der unter der Armutsgrenze (ca. 850 Euro für Alleinstehende) lebenden über 65-Jährigen von knapp über 10 Prozent auf deutlich über 15 Prozent der Bevölkerung gestiegen. Ein Alarmsignal auch für Österreich?

Die beiden Systeme im Vergleich

Österreich baut die Alterssicherung gesellschaftspolitisch auf die beiden Hauptprinzipien der Lebensstandardsicherung und der Armutsvermeidung im Alter auf. Individuell erfüllt das System die Konsummöglichkeit im Alter und den Schutz bei Langlebigkeit. Die Erfüllung dieser Ziele garantierte in den letzten sechs Jahrzehnten die vergleichsweise niedrige Arbeitslosen­rate, stabile Erwerbs- und Einkommenskarrieren und soziale Pensionsbegünstigungen, welche sich vom Versicherungsprinzip teilweise gelöst haben (Ausgleichszulage; günstige Berech­nungs­grundlagen). Neue Herausforderungen in der Alterssicherung ergeben sich aus der nun gestiegenen Arbeitslosigkeit und den unterschiedlichen Einkommen aufgrund verschiedener Beschäftigungsverhältnisse innerhalb des Berufslebens. 

Hauptbeispiel zur Verstärkung des Versicherungsprinzips:

Ende der 80er Jahre bildeten die letzten, später die besten fünf Jahre, in den 90er Jahren die besten 15 Erwerbsjahre und seit 2004 steigend, zuletzt 2013, die besten 26 Jahre, die Grundlage für die Pensionsbemessung.  Ab 1.1.2014 wurden für das Pensionskonto die besten 28 Erwerbsjahre als Basis für die Pensionshöhe herangezogen; in Zukunft wird die gesamte Erwerbslaufbahn maßgebend für die Höhe der Pension sein. 

Dadurch kommt dem Umstand, dass dem Pensionssystem der Arbeitsmarkt vorgelagert ist, nun zentrale Bedeutung für die Alterssicherung zu. Dies bedeutet für das Prinzip der Lebensstandardsicherung, dass für Menschen mit geringem Einkommen auch die Pensionen immer weniger existenzsichernd sein werden. Der Schutz vor Altersarmut liegt nicht vorwiegend im Pensionssystem selbst (Versicherungsprinzip!), sondern in einer adäquaten vorausschauenden Sozial-, Lohn-, Wirtschafts- und Steuerpolitik. 

In Deutschland sind die Rahmenbedingungen für Reformen zur Armutsbekämpfung im Alter wesentlich schwieriger. So muss das deutsche Rentensystem die enormen Kosten der Wiedervereinigung (die gesamte Ostgeneration wurde im Jahre 1990 ohne Beitragsleistung  ins Leistungssystem übernommen) tragen. 

Weiters gab es in Deutschland wesentlich pessimistischere Vorstellungen über die demographische Altersentwicklung und wurde unter diesem Druck Anfang der 2000er Jahre das gesellschaftspolitische Ziel der Lebensstandardsicherung im Alter durch das öffentliche System aufgegeben. Es wurde eine Kombination aus dem Zusammenwirken von gesetzlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge verbunden mit einer schrittweisen Anhebung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre eingeführt. Außerdem werden in Deutschland seit 2005 die bis dahin steuerfreien Renten bis 2040 schrittweise ansteigend besteuert. 

Die privaten freiwilligen Zusatzrenten (Riesterrente) wurden parallel zu den Kürzungen im öffentlichen System steuerbegünstigt und auch die Betriebspensionen propagiert. Damit wurden kapitalgedeckte Vorsorgeformen neben der staatlichen gesetzlichen Rente verstärkt eingeführt. 

Es ergab sich, dass gerade Menschen mit niederem bis mittlerem Einkommen sich private Zusatzrenten nicht oder nur gering leisten konnten und diese im Ertrag nicht den  prognostizierten Erwartungen entsprachen. Verbunden mit den gesetzlichen Kürzungen  und den enormen Abschlägen bei früheren Pensionsantritten bei Arbeitslosigkeit, ist die Altersarmut deutlich gestiegen. 

Die deutsche gesetzliche Rente berechnet sich wesentlich anders als die österreichische:

Die Höhe der Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung hängt davon ab, wieviel Beiträge man nach dem sogenannten Durchschnittsverdiener sein Leben lang in das Rentensystem eingezahlt hat. Für 2016 wird das Durchschnittsverdienstmodell mit jährlich 36.267 Euro Bruttoeinkommen bewertet und für diese Höhe ein Rentenpunkt vergeben. Dieser beträgt im heurigen Jahr 29,21 Euro monatlich im Westen und 27,05 Euro im Osten. Bei niedrigerem/höherem Einkommen fällt bzw. steigt dieser Betrag verhältnismäßig. Dies ergibt beim Durchschnittsverdiener nach 45 Erwerbsjahren eine monatliche Rente von 1.314 Euro

12-mal im Jahr! In Österreich entspricht der obige Durchschnittsverdienstwert einem monatlichen Bruttobezug von 2.590,50 Euro 14-mal jährlich. Aufgrund der Pensionskontogutschrift von 1,78 Prozent des jährlichen Einkommens ergibt dies in Österreich eine monatliche Pensionssteigerung von 46,11 Euro pro Erwerbsjahr. Nach 45 Erwerbsjahren wäre dies eine Pension von 2.420 Euro monatlich 12-mal (2.075 Euro 14-mal). Der Vergleich spricht für sich!

Neueste Berechnungen ergeben, dass der/die durchschnittliche deutsche Altersrentner/Arbeits­rentnerin als Ersatzrate für sein/ihr Erwerbseinkommen nur mehr 42 Prozent als gesetzliche Rentenleistung erhalten wird. In Österreich beträgt dieser Prozentsatz aufgrund der bisherigen Lebensstandardsicherung zurzeit beim Regelpensionsalter mit 45 Erwerbsjahren 91 Prozent. 

Schlussfolgerungen

Aufgrund der nun bestehenden strukturellen Schieflage (Arbeitslosenquote, prekäre Beschäf­tigungsverhältnisse, Teilzeitbeschäftigungen) ist es unumgänglich, auch Vermögen und Vermögenserträge zur Finanzierung der Alterssicherung über Steuer- und Wirtschaftspolitik einfließen zu lassen. Dies muss aber unabhängig von  individuell getroffener Altersvorsorge  realisiert werden. Die Sicherung des Lebensstandards durch die Destabilisierung/Destandard­isierung der Erwerbslaufbahnen muss auch durch Eingriffe in herrschende Markt- und Pro­duktionsbedingungen (insbesondere Arbeitszeitreduzierung, Versorgungsarbeit) geschehen. Nur so ist solidarisch die Definition Lebensstandardsicherung und Armutsbekämpfung (Erhaltung des Ausgleichszulagensystems) möglich. Die Finanzierungslage der österreich­ischen Alterssicherung liegt im Wesentlichen in der Stabilisierung des Arbeitsmarktes und nicht in weiteren „Reformen“ des Pensionssystems. 

Die Arbeiterkammer Kärnten fordert von der Bundesregierung:

  • Bekämpfung der drohenden Altersarmut durch Erhalt und Sicherung des gesetzlichen Umlageverfahrens in der Altersvorsorge.

  • Ausbau der Beschäftigungsinitiativen am Arbeitsmarkt, vor allem die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

  • Reduktion der Normalarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich.

  • Bekämpfung von Minderarbeit und unterbezahlter Erwerbsarbeit.

  • Eindämmung von Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen durch Verbesserung der Kinderbetreuung und Ganztagsschulsystemen.

  • Einbeziehung von Kapital und Kapitalerträgen in die Alterssicherung.

  • Einschränkung von kapitalgedeckten Altersversorgungssystemen nur auf den privaten Vorsorgebereich.

  Einstimmige Annahme

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