Risiken der Regulierungszusammenarbeit
Warum wir dagegen sind
Bei Handels- und Investitionsabkommen wie CETA geht es darum, alles aus dem Weg zu räumen, was den Handel irgendwie behindert. Als Handelshemmnis gelten unterschiedliche Regulierungen in den Partnerstaaten. Unterschiedliche Gesetze und Normen können zum Beispiel Produktionsstandards, Lebensmittelsicherheit oder Zulassungsverfahren von Chemikalien betreffen.
Das Zauberwort für ungehemmten Handel heißt daher „Regulierungszusammenarbeit“: Die Verhandlungspartner sollen die Regeln des anderen anerkennen oder sich auf neue, gemeinsame Regeln verständigen. Dann, so die Idee, haben es alle einfacher, Produzenten, Händler und Konsumenten. Klingt eigentlich ganz vernünftig. Doch die Regulierungszusammenarbeit ist ein Wolf im Schafspelz.
Die Risiken der Regulierungszusammenarbeit
Regulierungszusammenarbeit ist viel zu umfassend
Der Anwendungsbereich für die Regulierungszusammenarbeit ist viel zu weit gesteckt. Soll heißen: So gut wie alle Gesetze, Verordnungen oder Richtlinien auf EU-Ebene können von CETA betroffen sein. Alle gegenwärtigen und zukünftigen Gesetzesinitiativen, die einen Bezug zum Handel haben, können Gegenstand der Regulierungskooperation mit dem Handelspartner werden. Die Handlungsspielräume für Regierungen werden damit sehr eng.
Schutzniveaus in Gefahr
Geht es nach den aktuellen Vorschlägen der EU-Kommission, werden die hohen europäischen Schutzniveaus für KonsumentInnen, ArbeitnehmerInnen und Umwelt durch die Regulierungszusammenarbeit wahrscheinlich gesenkt werden. Umgekehrt wird es viel schwieriger, neue Schutzbestimmungen einzuführen oder bestehende zu verbessern.
Beispiel
Die EU wendet in vielen Bereichen des Gesundheits- und des Umweltschutzes das so genannte Vorsorgeprinzip an, etwa bei Gentechnik, Lebensmittelsicherheit oder gefährlichen Chemikalien. So lange nicht alle Risiken geklärt sind, können bestimmte Produkte und Herstellungsweisen verboten werden.
Anders in Kanada, das weltweit einer der größten Produzenten von genmanipulierten Produkten ist. Gentechnisch veränderte Produkte müssen dort - im Gegensatz zu Europa - nicht verpflichtend gekennzeichnet werden. Kanada wird alles dransetzen diese Produkte in der EU abzusetzen. Das bedeutet zunehmenden Druck auf die in der EU bestehende Kennzeichnungspflicht von genmanipulierten Produkten.
Parlamente werden ignoriert
Auch langfristig sollen Mechanismen geschaffen werden, damit auch nach dem Inkrafttreten von CETA bestehende Regulierungsunterschiede abgebaut und zukünftige vermieden werden. Parlamente kommen in diesem Konzept allerdings nicht vor. Offenbar ist auch Demokratie ein Handelshemmnis.
Hintergrund
So sieht die Regulierungsarbeit künftig aus
- Die Regulierungszusammenarbeit soll im Rahmen transnationaler Gremien erfolgen. VertreterInnen der Regulierungsbehörden sollen auf EU- und kanadischer Seite (Kommissions- und kanadische Regierungsbeamte) Vorschläge für Regulierungsthemen erarbeiten. Das bedeutet: Entscheidungen über Gesetze und deren Änderungen in der EU werden künftig auch mit Kanada in den transnationalen Gremien abgestimmt werden.
- Ein Frühinformationsmechanismus soll beide Seiten über geplante neue Regulierungsmaßnahmen in Kenntnis setzen. Ist etwas Neues in Planung, sollen die Folgen für den Außenhandel abgeschätzt werden. Geplante Regelungen im Lebensmittelrecht (z.B. für den Einsatz von Wachstumshormonen in der Tiermast) könnten sich so als Handelshemmnis erweisen. Branchenvertreter in der EU und in den USA können Gesetzesvorhaben, die deren Handelsinteressen zuwiderlaufen, zu einem sehr frühen Zeitpunkt beeinflussen.
Konzerne diktieren Gesetze
Völlig unklar bleibt, welche Einflussmöglichkeiten den Unternehmensverbänden und Konzernen in den Gremien der Regulierungskooperation zukommt. In diesem Rahmen könnten sie gegen missliebige Gesetze vorgehen und selbst an Gesetzen mitschreiben. Immer, wenn die EU-Kommission ein neues Gesetz, das einen Bezug zum Handel hat, entwirft, wird sie die kanadische Regierung konsultieren – und das, noch bevor unsere gewählten Parlamentarier den Vorschlag überhaupt zu Gesicht bekommen.
Beispiel
Die Regulierungszusammenarbeit läuft darauf hinaus, dass Großkonzerne künftig noch mehr Einfluss auf die Gesetzgebung bekommen als bisher. Denn nicht näher bestimmte „Stakeholder“ sollen in den Gremien mitbefasst werden. Welche das in der Regel sind, beobachten wir seit Jahren: Großkonzerne von Coca Cola bis Google und deren Branchenverbände haben das nötige Kleingeld, um überall präsent zu sein und ihre Interessen durchzusetzen.Film „Demokratie in Gefahr: TTIP & Regulatorische Zusammenarbeit“
Was hinter der Regulatorische Zusammenarbeit steckt und warum sie ein Anschlag auf die Demokratie ist, pointiert zusammengefasst von LobbyControl.
Was wir fordern
- Europäische Schutzniveaus dürfen nicht gesenkt werden.
- Von der Regulierungszusammenarbeit müssen sensible Bereiche ausgenommen werden, insbesondere Arbeits- und Sozialstandards, Gesundheit, Sicherheit, Konsumentenschutz, Datenschutz und Umwelt.
- Zusätzlich fordern wir explizite Ausnahmen von bestimmten Sektoren, zum Beispiel die Bereiche Chemikalien, Pharmaprodukte oder Lebensmittel.
- Die Regulierungszusammenarbeit soll außerdem nicht bestimmen, wie in Europa beispielsweise gentechnisch veränderte Organismen (GVO), Hormone, Antibiotika, veterinäre Angelegenheiten, oder Chemikalien gesetzlich geregelt werden.
- Die Anwendung des Vorsorgeprinzips in der EU muss im Abkommenstext von TTIP, CETA, und allen anderen Handelsabkommen ausdrücklich verankert werden.
- Gesetze oder Bestimmungen dürfen nicht nur nach handelspolitischen Kriterien beurteilt werden. Das gilt auch für die Folgenabschätzung von geplanten Regulierungen. Bevor Regulierungen verändert oder aufgehoben werden, müssen auch die gesellschaftlichen Kosten erwogen werden.
- Wenn es um Regulierungen geht, müssen Parlamente auf allen Ebenen eingebunden sein.
- Transnationale Gremien, die alle künftigen Regulierungsvorhaben vorab prüfen, lehnen wir ab.
Was Sie tun können
- Bitte teilen Sie diesen Artikel und informieren Sie Ihr Umfeld!
Mitmachen: In Österreich haben sich Gewerkschaften, NGOs und zivilgesellschaftliche Initiativen zur Plattform „Anders Handeln – Globalisierung gerecht gestalten“ zusammengeschlossen. Anders Handeln bietet vielfältige Aktionsmöglichkeiten.
Weiterlesen
Rechtsgutachten erstellt von P.-T. Stoll, T. Holterhus und H. Gött im Auftrag der Arbeiterkammer Wien, Juni 2015. „Die geplante Regulierungszusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Kanada sowie den USA nach den Entwürfen von CETA und TTIP“.
Tiefer rein ins thema
Die AK-Studie zur Regulierungszusammenarbeit wurde am 16. September 2015 mit einem der Studienautoren, Prof. Peter-Tobias Stoll, präsentiert und diskutiert. Einen Videomitschnitt der Veranstaltung und weitere Infos finden Sie hier!