26.9.2023

EU-Lieferkettengesetz: Win-Win Situation für Europa & den globalen Süden

Das EU-Lieferkettengesetz will Menschenrechte und Umweltschutz entlang globaler Lieferketten stärken und Unternehmen in die Pflicht nehmen. Arbeitnehmer:innen im globalen Süden werden profitieren – darüber sind sich Expert:innen einig. Doch welche Auswirkungen sind für die Wirtschaft zu erwarten?

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Presseunterlage

Nur wasserdichtes Gesetz bringt Wohlstandsgewinne 

Die nächsten Monate sind entscheidend für den Inhalt des EU-Lieferkettengesetzes: Die Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Ministerrat sind in vollem Gange. Ein Ergebnis noch vor der EU-Wahl vom 6. bis 9. Juni 2024 ist das Ziel.

Das EU-Lieferkettengesetz, auch „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ genannt, wird große Unternehmen dazu verpflichten, die Einhaltung von Menschenrechten – und damit Arbeitnehmer:innenrechten – sowie Umweltauflagen entlang der Lieferkette für alle Produkte und Dienstleistungen zu überprüfen. Staatliche Behörden und Zivilklagen von Betroffenen sind vorgesehen, um gegen negative Auswirkungen von Unternehmensaktivitäten vorzugehen. Doch der der Teufel steckt im Detail. Am Tisch liegen drei Verhandlungspositionen.

Die EU-Kommission will Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter:innen und 150 Millionen Jahresumsatz in die Pflicht nehmen. In Branchen mit starken Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt im globalen Süden, wie der Textilindustrie, der Landwirtschaft und dem Bergbau sollen die Regeln bereits für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiter:innen und 40 Millionen Euro Jahresumsatz gelten. Auch für Unternehmen, die nicht in der EU ansässig sind, sollen dieselben Regeln gelten, wenn sie die genannten Jahresumsätze erreichen

Der EU-Ministerrat unterstützt den Vorschlag der Kommission in Bezug auf die Schwellenwerte der Unternehmen. Allerdings will der Rat einige Abschwächungen. So soll das EU-Lieferkettengesetz für den Finanzsektor nicht zwingend gelten. Außerdem will der Rat weniger umfangreiche Pflichten, indem beispielsweise die Wertschöpfungskette weniger umfassend definiert werden soll.

Das EU-Parlament hat eine ambitionierte Verhandlungsposition. Die niedrigeren Schwellenwerte (250 Mitarbeiter:innen und 40 Millionen Jahresumsatz) sollen laut EP generell gelten, um möglichst viele Unternehmen in das EU-Lieferkettengesetz miteinzubeziehen. Die höheren Schwellenwerte sollen nur für Unternehmen gelten, die nicht in der EU ansässig sind. Das EU-Parlament will Unternehmen darüber hinaus auch beim Klimaschutz zur Sorgfalt verpflichten und fordert Verbesserungen für Betroffene, die Zivilklagen einbringen.

Fest steht bereits jetzt: Das EU-Lieferkettengesetz wird sowohl über das deutsche wie auch das französische Lieferkettengesetz hinausgehen. Ausweichrouten für deutsche und französische Unternehmen über andere EU-Länder werden geschlossen. Die neuen Regeln werden sowohl für europäische als auch für Unternehmen aus Drittstaaten gelten. Auch letztere müssen saubere Lieferketten vorweisen, wenn sie im EU-Binnenmarkt einen bestimmten Umsatz erzielen. Dadurch sollen Wettbewerbsnachteile für europäische Unternehmen vermieden werden.

Wird die Wirtschaft das EU-Lieferkettengesetz stemmen? 

Laut einer Studie der EU-Kommission aus dem Jahr 2020 haben freiwillige Standards bisher nicht gewirkt. Nur ein Drittel der EU-Unternehmen führt Sorgfaltsprüfungen (Due Diligence) im Hinblick auf Menschenrechte, Umweltschutz und Arbeitsstandards in den Lieferketten durch. Das EU-Lieferkettengesetz soll dies ändern. Doch die Einwände seitens der Wirtschaft reißen nicht ab. In einer bespiellosen Kampagne haben Wirtschafts- und Industrieverbände Druck auf die EU-Parlamentarier:innen ausgeübt, sodass kurz vor der Abstimmung im EU Parlament einige Abgeordnete umgefallen sind. Dennoch hat das EU-Parlament im Juni 2023 eine ambitionierte Verhandlungsposition verabschiedet.

Einzelne Wirtschaftsforscher:innen warnen vor negativen ökonomischen Auswirkungen des EU-Lieferkettengesetzes und fürchten Wettbewerbsnachteile für europäische Unternehmen. Andere bringen vor, dass die für den Globalen Süden erwarteten positiven ökonomischen Auswirkungen nicht eintreten werden. Die AK hat daher eine Studie in Auftrag gegeben, um diesen Fragen nachzugehen.

AK-Studie zu den wirtschaftlichen Auswirkungen

Die vorliegende Studie der Fachhochschule des BFI Wien, FIAN Österreich und der Fundación Sol, Santiago de Chile mit dem Titel „Expected economic effects of the EU Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ im Auftrag der AK zeigt:

Je stärker das EU-Lieferkettengesetz ausgestaltet ist, desto eher führt es zu Wohlstandsgewinnen im globalen Süden und zu besseren Arbeitsbedingungen.

Die Studie untersucht die Auswirkungen des EU-Lieferkettengesetzes auf den Globalen Süden, die Effekte auf den globalen Wettbewerb und die EU sowie die Auswirkungen auf europäische und österreichische Arbeitnehmer:innen. Die Studienautoren kombinieren dabei gängige neoklassische Ökonomie mit weiteren theoretischen Ansätzen. Wirtschaftliche Entwicklung, internationaler Handel und Menschenrechte, insbesondere im globalen Süden, Perspektive beleuchtet.

Wohlfahrtseffekt für den Globalen Süden

Die Studie kommt zu dem Ergebnis: Das EU-Lieferkettengesetz wird einen deutlich positiven wirtschaftlichen Wohlfahrtseffekt für den Globalen Süden und positive Nettoeffekte für die europäische Wirtschaft haben. Darüber hinaus stärkt es tendenziell die Position der Arbeitnehmer:innen, nicht nur im Globalen Süden, sondern auch in der Europäischen Union. Die Studienautoren weisen jedoch mit Blick auf die laufenden Verhandlungen auf EU-Ebene darauf hin, dass diese positiven wirtschaftlichen Auswirkungen nur dann eintreten werden, wenn ein wirksames, „wasserdichtes“ EU-Lieferkettengesetz beschlossen und umgesetzt wird.

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