Nach Dienstschluss und im Urlaub: Beschäftigte haben ein Recht auf Nichterreichbarkeit
Das Smartphone klingelt um 20 Uhr, E-Mails trudeln am Wochenende oder im Urlaub ein: Viele Beschäftigte kennen das Problem der ständigen Erreichbarkeit. Durch die Digitalisierung fühlen sich immer mehr Arbeitnehmer:innen verpflichtet, auch nach Dienstschluss für das Unternehmen da zu sein.
Maximilian Turrini, Arbeitsrechtsexperte der Arbeiterkammer Kärnten, klärt auf: „Nach Dienstschluss besteht keine Verpflichtung, erreichbar zu sein. Auch das bloße Übergeben eines Diensthandys verpflichtet nicht zur ständigen Erreichbarkeit.“ Eine Ausnahme bildet die sogenannte Rufbereitschaft, diese muss jedoch ausdrücklich vereinbart werden. „Rufbereitschaft zählt nicht zur Arbeitszeit, ist jedoch zu entlohnen. Der tatsächliche Einsatz zählt dann als Arbeitszeit“, erklärt Turrini. Werden Beschäftigte außerhalb einer vereinbarten Rufbereitschaft in ihrer Freizeit kontaktiert, handelt es sich meist um Überstunden, die entsprechend bezahlt werden müssen. Obwohl ein ausdrückliches Recht auf Nichterreichbarkeit im Gesetz nicht verankert ist, müssen gesetzliche Ruhezeiten eingehalten werden.
In vielen modernen Berufen wächst zudem die Belastung durch die „versteckte Erreichbarkeit“ – ein Phänomen, das weit über die übliche Rufbereitschaft hinausgeht. Von Beschäftigten – insbesondere in Branchen wie Social Media, IT und Systemadministration, Projektleitung, Führung und Bildung – wird erwartet, ständig informiert und reaktionsbereit zu sein, auch wenn es keine formellen Vereinbarungen dafür gibt. Dieser stille, aber permanente Anspruch auf sofortiges Wissen und Handeln verschärft die Grenzen zwischen Arbeits- und Freizeit erheblich.
Gesundheitliche Folgen nehmen zu
Die ständige Erreichbarkeit bleibt nicht ohne Folgen, sie kann zu Stress, Überlastung und gesundheitlichen Problemen führen. Psychische Diagnosen sind laut aktuellem WIFO-Fehlzeitenreport für besonders lange Krankenstände verantwortlich: Im Durchschnitt beläuft sich die Ausfallzeit auf etwa 37 Tage pro Fall. „Die Arbeiterkammer Kärnten fordert daher ein Gesetz, welches das Recht auf Nichterreichbarkeit eindeutig festlegt. Zusätzlich ist auch eine Unternehmenskultur wichtig, die die Privatsphäre respektiert und Erholung ermöglicht“, fordert AK-Präsident Günther Goach.
Arbeitsrecht: 050 477-1004